Die Hydrologin Emma Haziza warnt vor unserer Unvorbereitetheit auf Wasserknappheit

Europa, das an reichhaltige Wasserressourcen gewöhnt ist, ist nicht auf die zunehmenden Dürren vorbereitet. Die französische Hydrologin Emma Haziza, die als Keynote-Sprecherin an der BlueArk-Konferenz 2023 teilgenommen hatte, schlägt Alarm hinsichtlich der wirtschaftlichen und landwirtschaftlichen Risiken, die diese neue Klimasituation mit sich bringt.
In einem kürzlich erschienenen Interview mit der belgischen Tageszeitung Le Soir (geführt von Jean-François Munster) betont die Expertin für Klimaanpassung, dass gemässigte Länder wie Frankreich oder Belgien eine völlig neue Realität entdecken. „Das Problem ist die Geschwindigkeit, mit der dieser Wandel stattfindet. Frankreich erwärmt sich 20 % schneller als der weltweite Durchschnitt”, erklärt sie.
Diese Beschleunigung der globalen Erwärmung verändert den Wasserkreislauf radikal. Dürren, die früher auf die Mittelmeerländer beschränkt waren, betreffen nun ganz Europa. Die Expertin erinnert daran, dass Belgien im Jahr 2022 beispiellose Dürren erlebt hat, die eine neue Anfälligkeit gegenüber „wiederkehrenden Hochdrucklagen“ offenbart haben.
Industrie und Landwirtschaft in der Sackgasse
Die Auswirkungen auf die Wirtschaft werden erheblich sein. Emma Haziza betont einen entscheidenden Punkt: „Eine der grössten Herausforderungen wird darin bestehen, der Industrie ihre Abhängigkeit vom Wasser und dessen zunehmende Knappheit bewusst zu machen.” Die Hydrologin stellt einen direkten Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und Wasserverbrauch her und schätzt, dass unser „versteckter Wasserverbrauch” 5.000 bis 7.000 Liter pro Jahr und Einwohner beträgt.
Auch die Landwirtschaft steht an vorderster Front. „Bei den immer häufigen auftretenden Hitzewellen wird das im Boden gespeicherte Wasser viel schneller verdunsten. Die Vegetation ist darauf nicht vorbereitet, die Landwirtschaft auch nicht“, stellt sie fest.
Schwierige Entscheidungen
Angesichts dieser Verknappung werden Nutzungskonflikte zunehmen. Die Expertin nennt das Beispiel Taiwans, das während der Dürre 2021 seine Elektronikindustrie zum Nachteil der Bevölkerung und der Landwirte bevorzugt hat. Kalifornien hingegen hat sich für den umgekehrten Weg entschieden und die Landwirtschaft bevorzugt.
Für Emma Haziza bleibt Vorausschau der Schlüssel: „Wichtig ist, mehrere Schritte voraus zu sein, zu versuchen, vorausschauend zu handeln, um noch wählen zu können und nicht zu leiden.”
Misstrauen gegenüber technologischen Lösungen
Die Hydrologin steht Lösungen, die als Wundermittel präsentiert werden, skeptisch gegenüber. In Bezug auf die Meerwasserentsalzung warnt sie: „Beim aktuellen Stand der Technik gibt es keine Lösung, mit der Meerwasser ohne den Einsatz von Dutzenden Chemikalien und enormen Mengen an Energie entsalzt werden kann.”
Sie bevorzugt nachhaltigere Ansätze: „Die Böden und ihre Mikrobiota wiederherstellen, damit sie atmen können, dem Wassertropfen, der vom Himmel fällt, Zeit geben, seinen Weg so lange wie möglich zu gehen, unsere Städte wieder durchlässiger machen.” Lösungen, die „langfristiges Denken erfordern”, aber „die Grundlage unserer Zukunft” bilden.
Weitere Informationen
Quelle: Artikel aus der Tageszeitung Le Soir
Das vollständige Interview finden Sie auf der LinkedIn-Seite von Emma Haziza.