Mikroorganismen in Wasserläufen: Bald eine globale Biobank im Wallis?

Die von Gletschern gespeisten Wasserläufe enthalten unzählige Mikroorganismen, die sich in extremen Umgebungen entwickelt haben und eine Vielzahl von Substanzen (Kohlenstoff, Sonnenenergie, Mineralien und Gase) verstoffwechseln können. Angesichts des raschen Abschmelzens der Gletscher auf der ganzen Welt ist es lebenswichtig, dieses einzigartige Mikrobiom zu erhalten. Dies geht aus zwei neuen Forschungsarbeiten hervor, die von der EPFL geleitet werden, insbesondere von Professor Tom Battin, der am Energypolis Campus in Sion tätig ist. Dieser hofft, demnächst im Wallis eine Biobank für diese Mikroorganismen einweihen zu können.
Die Wasserläufe an den Gletscherspitzen unseres Planeten beherbergen eine Vielzahl einzigartiger Mikroorganismen. Diese komplexen Ökosysteme waren bis vor kurzem noch weitgehend unbekannt. Ein Team von Wissenschaftlern unter der Leitung der EPFL hat das Mikrobiom dieser Wasserläufe eingehend untersucht.
Die Wissenschaftler haben über fünf Jahre lang Proben aus 170 gletschergespeisten Flüssen in Neuseeland, dem Himalaya, dem russischen Kaukasus, dem Tien Shan- und Pamir-Gebirge, den europäischen Alpen, Skandinavien, Grönland, Alaska, den Rwenzori-Bergen in Uganda sowie den ecuadorianischen und chilenischen Anden gesammelt und analysiert. Die Forschungsarbeiten wurden von Tom Battin, ordentlicher Professor für Umweltwissenschaften und Leiter des RIVER-Labors an der EPFL Valais Wallis, durchgeführt.
Ein mikrobieller Atlas
Gletschergespeiste Flüsse sind die extremsten Süsswasserökosysteme der Welt. Sie weisen alle annähernd dieselben Merkmale auf: Temperaturen um den Gefrierpunkt, geringe Nährstoffkonzentrationen, kaum Sonneneinstrahlung im Winter und starke UV-Strahlung im Sommer. „Angesichts der extremen Bedingungen, die in den von Gletschern gespeisten Flüssen herrschen, erwarteten wir, dass die mikrobielle Vielfalt insgesamt gering ist und sich von Bergkette zu Bergkette nur wenig unterscheidet“, erklärt die Postdoktorandin Leïla Ezzat. „Aber unsere Analysen haben das Gegenteil bewiesen: die mikrobielle Biodiversität und die Biogeographie sind in den von Gletschern gespeisten Flüssen auf der ganzen Welt bemerkenswert.“
Die Wissenschaftler stützten sich auf ihre Probenahmen, um den weltweit ersten Atlas der Mikroben in gletschergespeisten Flüssen zu erstellen. Sie entdeckten ein einzigartiges Mikrobiom in diesen Umgebungen, das sich deutlich von anderen kryosphärischen Systemen wie Permafrostböden und Bergseen unterscheidet. Diese Mikroorganismen haben einzigartige Eigenschaften, darunter die Fähigkeit, verschiedene Substanzen zu verstoffwechseln. Daher ist es wichtig, sie zu erhalten.
Eine Biobank im Wallis?
„Da ich die letzten Jahre damit verbracht habe, die Berggipfel der Welt zu bereisen, kann ich sagen, dass wir mit dem Verschwinden der Gletscher eindeutig ein einzigartiges Mikrobiom verlieren“, erklärt Professor Tom Battin.
Der Forscher fordert daher die Einrichtung einer Biobank, um nicht nur dieses Mikrobiom, sondern auch andere vom Aussterben bedrohte Mikrobiome für zukünftige Generationen von Wissenschaftlern zu sichern. Diese Proben könnten zudem mit einer Biotechnologie der nächsten Generation verwendet werden. Er hofft, dass ein solcher „Tresor“ im Wallis entstehen wird. „Angesichts der Kompetenzen des Forschungszentrums für die alpine und polare Umwelt (ALPOLE) der EPFL im Wallis erscheint es logisch, dort eine Biobank einzurichten“, unterstützt Tom Battin.
Quelle
EPFL (Sandrine Perroud)
Lesen Sie den ganzen Artikel (auf Englisch) : https://actu.epfl.ch/news/scientists-discover-a-unique-microbiome-on-our-pla/